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Andreas Winkel, 9.9.2021

Wiener Bergbahnen im 19. Jahrhundert – Teil 1

Zuckerl-, Ruckerl-, Knöpferlbahn

Die Anhöhen des Wienerwaldes wurden in den 1870er Jahren durch drei heute nicht mehr erhaltene Bergbahnen erschlossen, die durch zeitgenössische Fotografien in der Sammlung des Wien Museums dokumentiert sind. Im Folgenden werden die einzelnen Strecken vorgestellt.

In der Zeitschrift „Architektur und Bautechnik“ erschien 1931 unter dem Titel „Der Bergbahnfriedhof im Wienerwald“ eine knappe Erinnerung an drei Bahnen, deren Namen „das junge Geschlecht“ kaum mehr kenne, die aber noch „Großvaters und Großmutters Sensation“ gewesen seien. Achtlos würden an den Sonntagen Tausende an ihren Gräbern im Wienerwald vorbeigehen, „meist ohne zu ahnen, dass sie auf einem Boden stehen, der im Leben der Großstadt immerhin eine gewisse Rolle spielte“. Tatsächlich waren diese Bahnen nie wirklich vergessen – sie sind, auch im Zusammenhang mit nicht verwirklichten Nachfolgeprojekten, seit den 1920er Jahren immer wieder Thema von Stadterinnerungen gewesen, und ihre Geschichte wurde mittlerweile in mehreren Publikationen vor allem in technischer und unternehmensgeschichtlicher Hinsicht gründlich aufgearbeitet.

Zuckerl-, Ruckerl- und Knöpferlbahn

Die drei Wiener Bergbahnen – eine Drahtseilbahn auf den Sattel zwischen Leopoldsberg und Kahlenberg (auch „Seilbahn auf den Kahlenberg“ genannt, da das „Hotel auf dem Kahlenberg“ das eigentliche Ziel war), eine Zahnradbahn auf den Kahlenberg und eine Drahtseilbahn auf die Sophienalpe – entstanden alle im Kontext der Weltausstellung von 1873, wenn auch keine davon zu deren Eröffnung am 1. Mai fertig gestellt worden war. Die „Seilbahn auf den Kahlenberg“ eröffnete Ende Juli 1873, die Zahnradbahn auf den Kahlenberg im März 1874 und die Drahtseilbahn auf die Sophienalpe, ursprünglich nur als technische Versuchsstrecke gedacht, nahm ihren Betrieb für die Öffentlichkeit erst im Herbst 1874 auf. Nur der Zahnradbahn auf den Kahlenberg war eine Betriebsdauer über mehrere Jahrzehnte beschieden (ihre Konzession erlosch erst 1923, nachdem der Betrieb schon 1922 eingestellt worden war), während die beiden Drahtseilbahnen schon 1876 (Kahlenberg) bzw. 1881 (Sophienalpe) geschlossen und abgetragen worden sind. Allgemeine Bekanntheit genießt heute somit vor allem die Zahnradbahn auf den Kahlenberg, die es als einzige der drei Bahnen auch zum Postkartenmotiv gebracht hatte und deren in der Zahnradbahnstraße in Nussdorf gelegener Bahnhof noch erhalten ist.

Die Entstehung und Eröffnung der Bahnen, im Volksmund „Zuckerl-“, „Ruckerl-“ und „Knöpferlbahn“ genannt, wurde medial intensiv begleitet, die Trassenverläufe sind überliefert und können zum Teil noch heute vor Ort nachvollzogen und begangen werden. Die fotografische Dokumentation der Anlagen erfolgte durch Michael Frankenstein, Amand Helm und Victor Angerer; eine Reihe von Fotografien der Seilbahn auf den Kahlenberg ohne Autorenangabe im Visitformat dürfte ebenfalls von Michael Frankenstein stammen. Im Verlag von Oscar Kramer wurden die ersten erhältlichen Aufnahmen der Anlagen schon 1874 als „Novität in Photographie“ und als „für Touristen sowohl als für Techniker interessant“ beworben („Oesterreichische Buchhändler-Correspondenz“, 1. August 1874, S. 256). Damit waren auch die ursprünglich durch die Bahnen selbst angesprochenen Zielgruppen im Rahmen der Weltausstellung beschrieben.

Die Drahtseilbahn auf den Kahlenberg

Als erste der drei Bahnen ging die Drahtseilbahn auf den Kahlenberg am 27. Juli 1873 – etwa zwei Monate nach Eröffnung der Weltausstellung – in Betrieb. Auf der Ausstellung selbst war die Trasse der Bahn in der Abteilung des österreichischen Bau- und Ingenieurwesens im Industriepalast als Modell ausgestellt, außerdem wurden die Pläne der Stationsgebäude und Aufzugsmaschinen gezeigt. In der Presse wurde über die Bauarbeiten, die Eröffnung und auch den Fahreindruck ausführlich berichtet.

Die Seilbahn auf den Kahlenberg wurde als zweigleisige, auf Eisenbahnschienen mit einer Spurweite von 1,895 Metern geführte Standseilbahn im Auftrag der Österreichischen Bergbahn Gesellschaft errichtet (Konstruktion Franz Felbinger, Bauleiter Gustav Lindenthal) und führte von der am Donauufer auf der Höhe der Marinekaserne liegenden Talstation zur Bergstation in der Nähe der heutigen Josefinenhütte. Die Länge der unter massiven Natureingriffen hergestellten Trasse betrug ca. 730 Meter, wobei etwa 235 Höhenmeter bei einer durchschnittlichen Steigung von 34% überwunden wurden. Die zwei an Zugseilen aus Draht hängenden und zusätzlich mit Fangseilen gesicherten Waggons aus der Hernalser Waggonfabrik fassten in drei Klassen 100 Personen und fuhren gleichzeitig parallel zueinander auf- und abwärts. Vor dem Anhalten machten die Waggons einen „Zucker“, also einen Ruck, weshalb die Bahn umgangssprachlich auch „Zuckerlbahn“ genannt wurde. Die Zugseile liefen über große, dampfbetriebene Windentrommeln im Maschinenhaus der Bergstation, das Kesselhaus mit den in der Maschinenfabrik von Georg Sigl gefertigten Lokomobilen mit 200 PS Leistung und hohem, weithin sichtbarem Schornstein befand sich unmittelbar daneben. Als eigentliches Ziel der Fahrt errichtete die Betreibergesellschaft das Hotel auf dem Kahlenberg und das Restaurant Schweizerhaus, wohin von der Bergstation noch ein Fußmarsch oder eine Kutschfahrt zu absolvieren war. Die Talstation der Drahtseilbahn konnte von Wien aus mittels Lokalschiff und Kaiser-Franz-Josef-Bahn erreicht werden, die Bahnstation „Leopoldsberg-Drahtseilbahn“ wurde eigens dafür errichtet und ging am 3. September 1873 in Betrieb. Ab 1874 stand die Bahn in einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis zu der in diesem Jahr eröffneten Zahnradbahn auf den Kahlenberg, deren Eigentümer die Drahtseilbahn und das Hotel 1876 übernahmen. Nachdem die Trasse der Bahn durch einen Erdrutsch im März 1876 beschädigt worden war, wurde die Bahn noch im selben Jahr nach insgesamt 493 Betriebstagen eingestellt. Ausschlaggebend dafür waren nicht nur die Schäden an der Trasse, sondern auch der Umstand, dass durch die nunmehr fehlende Konkurrenz eine bessere Auslastung der Zahnradbahn zu erhoffen war.

Für die Österreichische Bergbahn-Gesellschaft A.G. schuf der Fotograf Amand Helm (1831-1893) wohl kurz vor der Eröffnung der Bahn im Juli 1873 die Fotoserie „Drahtseilbahn auf den Kahlenberg“, die nicht nur die Bahn und deren Technik selbst sowie die dazugehörigen Betriebs- und Lokalgebäude, sondern auch die landschaftlichen Reize des Kahlenbergs und die von hier möglichen Ausblicke dokumentierte. Michael Frankensteins (1843-1918) wohl etwas später aufgenommene Fotografien konzentrieren sich auf die Darstellung der Trasse und der Stationsgebäude der Bahn.

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Drahtseilbahn auf den Kahlenberg, Bergstation mit unterhalb der Station zum Halt gekommenem Waggon und rechts davon sichtbarem Schornstein des Kesselhauses, Fotografie von Amand Helm, 1873, Wien Museum. Gut zu erkennen ist die Klasseneinteilung des Waggons, der 100 Passagiere fasste.

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Maschinenhalle der Drahtseilbahn, Fotografie von Amand Helm, 1873, Wien Museum. Am Ende des Raumes befanden sich die großen Windentrommeln, über die das Zugseil lief. Im Vordergrund die zwei Zylinder, die mit Dampf aus sechs im Kesselhaus nebenan befindlichen Lokomobilen aus der Sigl’schen Maschinenfabrik betrieben wurden.

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Talstation der Drahtseilbahn auf den Kahlenberg, Fotografie von Amand Helm, 1873, Wien Museum. Die Talstation bestand noch bis 1972 als Weingut Donauwarte und lag an der heutigen Grenze Wien-Niederösterreich (Höhe der Marinekaserne). Über das rechte Hauptportal gelangte man ins Vestibül mit dem Kassaraum und zum mittig angeordneten Einstiegsperron. Die links und rechts gelegenen Ausstiegsperrons konnten über die außen am Gebäude anliegenden Treppen verlassen werden.

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Hotel Kahlenberg, Fotografie von Amand Helm, 1873, Wien Museum. Das von 1872–1873 errichtete Hotel, das in dieser Serie von Amand Helm in mehreren Fotografien überliefert ist, wurde in den 1930er Jahren unter Einbezug der alten Fundamente durch das (mittlerweile nicht mehr bestehende) neue Kahlenbergrestaurant von Erich Boltenstern ersetzt.

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Blick Richtung Bergstation der Drahtseilbahn auf den Kahlenberg, gesehen vom Schweizerhaus, Fotografie von Amand Helm, 1873, Wien Museum

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Die Zahnradbahn auf den Leopoldsberg

Auch die von der Kahlenbergbahn A. G. errichtete Zahnradbahn auf den Kahlenberg sollte rechtzeitig zur Weltausstellung eröffnen, ging jedoch, vor allem aus rechtlichen Schwierigkeiten bei der Grundablösung, erst am 7. März 1874 und somit lange nach Ende der Ausstellung in Betrieb. Technisch basierte sie auf dem „System Rigi“ (Riggenbach’sche Zahnstange), welches bei der 1871 eröffneten ersten europäischen Zahnradbahn auf den Rigi in der Schweiz nach Plänen von Niklaus Riggenbach zur Anwendung gekommen war. Dabei greift das mittig angeordnete Antriebs-Zahnrad der Lokomotive in die zwischen den Schienen verlegte Zahnstange ein, wodurch Bergfahrten mit stärkeren Steigungen erst möglich werden. Da die Bahn, trotz aller Bemühungen der Lokführer, während der Fahrt ab und an einen Ruck machte, wurde sie umgangssprachlich auch „Ruckerlbahn“ genannt.

Die ursprünglich 4,85 Kilometer lange Trasse über 300 Höhenmeter führte die Zahnradbahn vom Bahnhof Nussdorf über die Zwischenhalte Grinzing und Krapfenwaldl zur Endstation auf den Kahlenberg. Die Strecke wurde zweigleisig geführt (Berg- und Talgleis), am Kahlenberg und in Nussdorf befand sich je eine Schiebebühne, mittels welcher die Garnituren das Gleis wechseln konnten. Nach dem Kauf der Drahtseilbahn auf den Kahlenberg und des Hotels am Kahlenberg durch die Kahlenbergbahn A. G. im Jahr 1876 wurde die Endstation der Zahnradbahn auf dem Kahlenberg näher an das Hotel verlegt. Dafür wurde die Trasse eingleisig um etwa 600 Meter verlängert, die Streckenlänge betrug somit nun 5,45 Kilometer.

Ab 1885 verband eine im Auftrag der Kahlenbergbahn A. G. errichtete Dampftramway den Schottenring mit dem Bahnhof Nussdorf, wodurch die Zahnradbahn von der Stadt aus besser zu erreichen war. Unter Beiziehung des Abbruchmaterials der Bergstation der Drahtseilbahn ließ die Kahlenbergbahn A. G. 1887 die Stephaniewarte nach Plänen von Fellner & Helmer als zusätzliche Attraktion auf dem Kahlenberg errichten. Eine vor dem Ersten Weltkrieg geplante Elektrifizierung sowie eine zusätzliche Trasse zum Cobenzl wurde nicht ausgeführt, während des Krieges und in den Jahren danach verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Bahn bis zu ihrer Einstellung im Jahr 1922 dramatisch.

Zwei Fotoserien dokumentieren die Zahnradbahn in ihren ersten Jahren: 1875 schuf Michael Frankenstein (vermutlich im Auftrag der Betreibergesellschaft) eine Reihe von Fotografien, aus dem Jahr 1889 stammen die Arbeiten von Victor Angerer, welche auch die Neuerungen Dampftramway und Stephaniewarte vorstellten.

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Zahnradbahn auf den Kahlenberg, Station Nußdorf mit Wagenpark und Personal, Fotografie von Michael Frankenstein, 1875, Wien Museum. Vom Dach der Lok- und Wagenhalle aus aufgenommene Fotografie.

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Zahnradbahn auf den Kahlenberg – Bergfahrender Zug, Blick auf Nußdorf, Fotografie von Michael Frankenstein, 1875, Wien Museum. Die Bahn ist auf dem Berggleis unterhalb der Station Grinzing für die Aufnahme der Fotografie zum Halt gekommen. Auf den Dächern der Wagons sind die Bremser auf den eigens für sie montierten Bänken zu sehen.

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Ursprüngliche Endstation der Zahnradbahn auf den Kahlenberg vor der Verlegung 1876, Fotografie von Michael Frankenstein, 1875, Wien Museum

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Bahnhof der Zahnradbahn auf den Kahlenberg in Nussdorf, Fotografie von Victor Angerer, 1889, Wien Museum. Der heute noch erhaltene Bahnhof in Nussdorf ist mit für das Foto arrangierter belebter Straßenszene sowie mit der Dampftramway, die den Schottenring ab 1885 mit dem Bahnhof Nussdorf verband, zu sehen.

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Die Zahnradbahn auf den Kahlenberg auf der Brücke über die Kahlenbergerstraße, mit arrangierter ländlicher Szene im Vordergrund, Fotografie von Victor Angerer, 1889, Wien Museum. Die Widerlager der Brücke sind heute noch erhalten.

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Die Drahtseilbahn auf die Sophienalpe

Die Drahtseilbahn auf die Sophienalpe schließlich wurde von dem Fabrikanten Georg Sigl, der schon die Maschinenanlage für die Seilbahn auf den Kahlenberg geliefert hatte, als technische Versuchsanlage konzipiert und ab Juli 1873 auf eigenem Grund errichtet, jedoch erst im Herbst 1874 für das Publikum geöffnet. Schon 1881 wurde die Anlage wieder geschlossen und abgetragen.

Sigls Absicht war es, ein sowohl in der Anschaffung wie im Betrieb billiges Bahnsystem zu entwerfen, und tatsächlich galt die Bahn in der Errichtung als günstig und was die benötigte Energieleistung betrifft als besonders ökonomisch. Zwei Lokomobile mit je nur 12 PS reichten aus, um die Anlage bei einer Beförderungskapazität von 200 Personen pro Stunde zu betreiben. Die Talstation der Bahn befand sich nahe der heutigen Rieglerhütte im Haltertal, die gerade verlaufende Trasse mit zwei parallel geführten Eisenbahnschienen (Spurweite ca. 1,2 Meter) führte von dort zur Bergstation nahe dem Restaurant auf der Sophienalpe.

Die leichten, kutschenähnlichen offenen Wagen („Fiakerwagen“) für je vier Personen ruhten auf vier doppelten Blattfedern und wurden die knapp 700 Meter lange Strecke auf Schienen über einen Höhenunterschied von etwa 110 Meter von einem umlaufenden Drahtseil, das im Abstand von je 50 Metern mit Knoten versehen war (daher der volkstümliche Name „Knöpferlbahn“), mitgezogen bzw. gleichzeitig zu Tal gelassen. Die insgesamt zwölf Wagen des Fuhrparks konnten in den Endstationen je nach Bedarf in das Drahtseil eingehängt werden, der Gleiswechsel erfolgte über einfache Schiebebühnen in den Stationen. Die fotografische Dokumentation dieser kurzlebigen Anlage erfolgte um 1875 durch Michael Frankenstein.

Mehr Objekte zu den drei Wienerwaldbahnen finden Sie im Album in der Online Sammlung des Wien Museums. Teil 2 des Beitrags ist hier zu lesen.

Andreas Winkel hat Kunstgeschichte in Wien und Dublin studiert; 2017/18 kuratorischer Assistent der Otto Wagner-Ausstellung im Wien Museum, seit 2019 Mitarbeiter der Online-Sammlung des Museums.

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Kommentare

Redaktion

Sehr geehrter Herr Gepp, vielen Dank für Ihre tolle Rückmeldung - für uns eine große Motivation, so weiterzumachen! Herzliche Grüße, Peter Stuiber (Wien Museum Magazin)

Franz Gepp.

Ich bin immer wieder Begeistert von den interessanten Bildern und Beiträgen vom alten Wien, da ich bei der Fa Lehmann Zuckerbäcker gelernt habe und jahrelang in Wien gewohnt habe und wunderschöne Erlebnisse hatte bei Operball ,Philharmonikerball, und vielen Staatsempfängen, ( leider gibt's die Fa. Lehmann nicht mehr) lebe ich noch immer mit Begeisterung die wundervollen Beiträge mit vollen Genuss mit . Herzliches Dankeschön.