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Christine Koblitz, 12.7.2022

Wiener Street Photography auf Instagram

Der Hashtag lebt weiter

Die aktuelle Ausstellung zur Straßenfotografie hat via Instagram-Challenge einen Booster erhalten: Es gab mehr als 6.600 Einreichungen, ein Best-of von mehr als 80 Fotograf:innen (mit 5 Gewinner:innen) ist im Wien Museum MUSA zu sehen. Der Hashtag #Augenblick2022 hat sich verselbständigt und lebt weiter.

Peter Stuiber

Es gab schon mehrere Insta-Challenges. Wie lief die Street Photography dazu im Vergleich? Aus welchen Erfahrungen der bisherigen Wettbewerbe konntest Du schöpfen?

Christine Koblitz

Vorbild war unsere allererste Instagram-Challenge zur Ausstellung „Wien von oben“ mit dem Hashtag #wvo17. Damals wollten wir das Phänomen der Urban Explorer zeigen, das durch Instagram eine neue Popularität erlangt hat. Urbexer sind Leute, die die Stadt abseits der offiziellen Wege erkunden und u. a. nachts auf Kräne klettern. Als Trophäe von diesen Ausflügen dienen spektakuläre Aufnahmen, die anschließend im Netz geteilt werden. Das Runterschauen eröffnet natürlich schon von wesentlich ungefährlicheren Standorten interessante Perspektiven. Entsprechend breit haben wir unseren Aufruf gestaltet und wurden mit einer unglaublichen Vielfalt an Blicken belohnt. Damals hatten wir gerade einen Raum frei – noch im alten Wien Museum – und konnten ca. 120 Bilder als Prints zeigen. Sowohl die Aktion als auch die Präsentation fanden bei der Community und den Besucher:innen großen Anklang. Bei Social Media denkt jeder sofort ans Digitale, aber gerade im Museum lädt ein reales Foto anders zum genauer Hinsehen und Verweilen ein. Deshalb sind wir bei all unseren Fotowettbewerben dabei geblieben. Die Formate haben wir je nach Platz der jeweiligen Ausstellung angepasst – mit Ausnahme von #AlmostWeltreise, wo wir aufgrund der Schließzeit keine Fläche zur Verfügung hatten.

Ob ein Wettbewerb gelingt oder nicht, hängt immer davon ab, ob man die richtige Community dafür begeistern kann. Ist der Aufruf klar verständlich? Konkret genug, um ein Thema zu zeigen, und offen genug, um der Kreativität Platz zu lassen? Dabei hat sich die Zusammenarbeit mit Personen, die einen Überblick über das jeweilige Genre haben, bewährt. Bei Street Photography war das die Feature-Plattform @wienerblicke. Als die zum Start den Aufruf geteilt haben, war das bei den Einsendungen in der Qualität sofort zu spüren. Ebenso bei den Community-Managern von @igeraustria.at und @igersvienna, die uns seit der ersten Challenge begleiten. Der größte Boost war allerdings der Bericht auf der Startseite von orf.at. Damit hatten wir auf einen Schlag tausend zusätzliche Einreichungen. Das ist natürlich toll, weil mehr ist mehr. Es führt allerdings auch zu praktischen Problemen, wenn die Leute den Artikel nicht so genau lesen und dann irgendwelche Wien-Fotos mit dem Hashtag versehen. Wir bekamen in dieser Phase erstaunlich viele Fiaker-Bilder in zig Variationen. Bei derartigen Klischees erlauben wir uns in der Jury besonders pingelig zu werden. Das gleiche gilt übrigens für alle häufigen Sujets wie z.B. die Sonnenanbeter beim Theseustempel oder verschiedene Lichtstimmungen beim Heldentor. Das sind oft sehr schöne Fotos, aber wir wollen unseren Besucher:innen ja etwas Außergewöhnliches zeigen. Umso mehr freut es uns, wenn wir ein Bild bekommen wie das von der Hand im Karlsplatz-Teich.

PS

Welche Kontinuitäten zwischen den historischen Fotografien in der Ausstellung und jenen, die eingereicht wurden, sind Dir aufgefallen?

CK

Die Wiener Straßenfotografie steckt voller Nostalgie, wie Anton Holzer, Kurator der Ausstellung, festgestellt hat. Es herrscht ein Topos der Langsamkeit, Gemütlichkeit statt Hektik, grau in grau statt Farbe. Immer noch wird gerne schwarz-weiß fotografiert. Viele entdecken gerade die Analogfotografie neu und entwickeln die Filme teilweise selbst. Die Scans davon werden wiederum auf Insta gepostet.  Die meisten Aufnahmen entstehen auf Spaziergängen durch die Innenstadt, weil dort immer interessante Menschen unterwegs sind und die historischen Bauten ein schöne Kulisse bieten. Kaffeehäuser spielen eine große Rolle, ebenso die Einkaufsstraßen. Wir haben uns in der Jury bemüht, auch Fotos aus anderen Bezirken auszuwählen, um verschiedene Facetten von Wien zu zeigen. Mitunter ist das sehr lustig, wie die Sau in der Wirtshaustür im Böhmischen Prater. Manchmal wiederholen sich ganze Szenen: Bei Franz Hubmann gibt es eine Pflanze, die im Kinderwagen über die Straße geschoben wird, bei Fuat Altintaş sind es zwei im Einkaufswagen. Didi Sattmann hat drei Buben beim Sprung ins Wasser in der Seestadt festgehalten, Christian Fischer entdeckt acht Jahre später drei mit ähnlichen Badehosen am selben Ort. Manches hat sich auch verändert. Wer wartet, schaut heute auf sein Telefon.

 

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PS

Historische Street Photography zeigt sehr oft Menschen. das ist heutzutage aus rechtlichen Gründen ein Problem. Wie reagiert man darauf als Fotografin/in?

CK

Street Photography bedeutet in der puristischen Auslegung, die abgelichteten Menschen gar nicht zu fragen, weil unbeobachtet die stärksten Aufnahmen gelingen. Vor allem in den USA ist dieser Zugang stark verbreitet. In Österreich gibt es ein anderes Bewusstsein für Persönlichkeitsrechte. Manche fragen bei Straßenporträts nachträglich um Erlaubnis, in einigen Situationen ist das schlicht unmöglich. Wenn man beim Fotografieren erwischt wird, empfiehlt es sich, ehrlich zu sein und wenn gewünscht die Aufnahme zu löschen. Noch einmal strenger wird die Sache bei einer Veröffentlichung auf einem Medienkanal wie Instagram. Deshalb hatten wir in den Teilnahmebedingungen die Regel, dass Personen nicht bloßgestellt werden dürfen oder in Kontexte gebracht, die sie vermutlich nicht wollen, insbesondere im Zusammenhang mit Werbung, Religion oder politischen Parteien. Ebenso sind Fotos von wiedererkennbaren Kindern tabu. Trotzdem bilden sie manchmal schwer zu wiederstehende Fotomotive. Generell sind die Instagramer:innen schon sehr dafür sensibilisiert und fotografieren Menschen deshalb von hinten. Dabei eine spannende Dynamik zu erzeugen, erfordert allerdings ein gutes Auge und Geschick. Mich hat überrascht, wie oft alte Menschen fotografiert werden und damit auf sympathische Art hervorgehoben werden.

PS

Was sind denn die Beweggründe für Instagramer, auf Street Photography zu setzen?

CK

Mir kommt vor, Street Photography erlebt gerade einen Hype auf Instagram, den wir mit unserer Challenge gut erwischt haben. Diese Entwicklung hat auch mit Corona zu tun. Durch die Pandemie hat der Alltag neue Bedeutung bekommen. Viele Fotograf:innen haben in dieser Zeit die Straßenfotografie für sich entdeckt, weil sie plötzlich mehr Freizeit und gleichzeitig einen eingeschränkten Bewegungsradius hatten. Sie erzählen, wie sich dadurch ihre Wahrnehmung verändert und Fotowalks zur regelmäßigen Übung wurden. Auch für internationale Leute, die neu in der Stadt leben, ist das eine eigene Art, Wien kennen zu lernen. Oft sind die Geschichten, die hinter den einzelnen Aufnahmen stecken, relativ banal. Doch durch den Ausschnitt und das „Einfrieren“ im richtigen Augenblick, wecken sie Emotionen, Assoziationen und erzählen mehr als nur eine Geschichte.

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In der Jury waren Alexander Zalokar @a_l_x_ender und Philipp Mohnberg @philipp_mberg/ Wienerblicke @wienerblicke, Wolfgang Breyscha/Instagramers Austria @igersaustria.at, Kilian Prader/ Igers Vienna @igersvienna, Christine Koblitz und Frauke Kreutler/ Wien Museum @wienmuseum.

Christine Koblitz ist Engagement Managerin im Wien Museum und beschäftigt sich mit Digital Culture, Instagram und Games. Sie kuratierte die Ausstellung „Takeover – Streetart & Skateboarding“ (2019) und entwickelt spielerische Formate wie das AR Escape Game und das monatliche Pub Quiz.

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Kommentare

Sabine Reinisch

Sehr interessantes Interview liebe Christine Koblitz, und eindrucksvolle Fotos, ein Genuss!
Liebe Grüße, Sabine