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Katharina von Böhmen, von der Westfassade von St. Stephan, um 1359–1363, Kalksandstein, Wien Museum
Hauptinhalt
Frauengeschichte in der Dauerausstellung
Von Fürstinnen, Dienstmädchen und Salonnièren
Im Wien Museum gibt es am 8. März eine Führung mit Dir mit dem Titel „Frauen privat und öffentlich“. Was erwartet die Mitgeher:innen?
Wir sehen uns im Kapitel Biedermeier und Vormärz ganz speziell die Frauen des frühen 19. Jahrhundert an. Es geht um veränderte Geschlechterrollen in dieser Zeit und welche Karriereoptionen und Handlungsspielräume es für Frauen gegeben hat, denen eigentlich sehr genormte Lebensläufe vorgegeben waren.
Hat sich das Bild der Frau in dieser Zeit stark verändert?
Allem voran das Bild der Familie. Im Biedermeier entstand zunächst in Beamten- und bürgerlichen Kreisen das Familienmodell, das für manche noch heute als bürgerliches Ideal gilt. Die Frau bleibt zu Hause bei den Kindern, der Mann geht arbeiten. Anders als bei Handwerkern oder Bauern, bei denen Arbeit und Haushalt meist eine Einheit bildeten und die Frau noch stärker in die Erwerbsarbeit der Familie involviert war. Die Rolle der Frau im Biedermeier ist nun klar definiert: Sie ist für den Haushalt und die Kinder da, sie ist, meist hell und bunt gekleidet, der Schmuck des Mannes. Und der Mann trägt zum ersten Mal einen dunklen Arbeitsanzug. Eine neue Modeerscheinung. Das Gemälde der Familie Bergmüller zeigt diese neue, damals moderne Familienaufstellung.
Und noch heute kämpfen wir mit diesem bürgerlichen Frauenbild.
Ein äußerst langlebiges Role Model, das sich vom Bürgertum aus auf andere gesellschaftliche Schichten übertragen hat. Und das bis heute polarisiert. Dadurch, dass der Mann das Haus verlässt, wird sie zur Hausfrau. Wobei die bürgerliche Frau nicht per se den Haushalt geschupft hat, dafür hatte sie Personal. Ihre Zuständigkeit lag darin, dass das Zuhause als Gefüge funktioniert. Sie blieb auch nicht nur im Haus, sie hat auch den gesellschaftlichen Status der Familie mitdefiniert.
Ruft das Thema auch bei Deinen Führungen Reaktionen hervor?
Tatsächlich entstehen immer wieder feministische Debatten. Manche Männer sind empört über etwas, was ich sage, meinen, jetzt sei doch schon alles gut, alle seien gleichberechtigt. Worauf über die Frauen der Gruppe höchst aktuelle Debatten entstehen, zum Beispiel über alleinerziehende Frauen an der Armutsgrenze.
Welche beruflichen Möglichkeiten hatten Frauen damals?
In den sehr wohlhabenden Schichten gab es einflussreiche, oft jüdische Salonnièren. Es gab Ballettkarrieren, hinter denen aber oft ein finanzieller und sexueller Missbrauch der jungen Mädchen stand. Es gab das Modell „Grillparzer-Junggeselle in der Schwestern-WG“. Er wohnte jahrzehntelang bei den Fröhlich-Schwestern, Katharina war seine langjährige Verlobte, die er aber nicht heiratete. Eine Schwester war eine bekannte Opernsängerin, die andere Professorin für Gesang. Es gab also durchaus Möglichkeiten für Frauen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, wenn sie nicht verheiratet waren. Aber das waren eher Ausnahmekarrieren.
Viele Frauen arbeiten wohl eher als Dienstmädchen oder Fabrikarbeiterinnen.
Wie das Stubenmädchen bei Grillparzer, das auf 1,4 Quadratmetern wohnte, wie wir aus den Grundrissen der Wohnung ersehen konnten. Das waren die beiden typischen Berufe armer Frauen. Die besonders ausbeuterische Arbeit in den Wiener Textilfabriken war auch einer der Auslöser für die revolutionären Ereignisse von 1848.
1848 stiegen auch Frauen auf die Barrikaden…
Viele Arbeiterinnen waren dabei, aber auch bürgerliche Frauen waren anfangs beteiligt. Damals wurde auch erstmals die politische Forderung nach dem Frauenwahlrecht und nach Frauenrechten überhaupt erhoben.
War der Vormärz der Beginn der Frauenbewegung in Österreich?
Der eigentliche Beginn ist um 1900 mit Adelheid Popp und anderen Frauenrechtlerinnen. Die Frauenbewegung, der Wandel des Frauenbildes oder auch das Thema sexuelle Ausbeutung sind Erzählungen im Kapitel um 1900, die über die „Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht“ von Teresa Feodorowna Ries, über die neue Bekleidung für Radfahrer:innen oder die Kontextualisierung des Loos-Zimmers aufgegriffen werden. Tatsächlich gab es aber bereits 1848 für kurze Zeit einen politischen Verein, der sich für die Rechte der Frauen einsetzte.
War die Frauenbewegung in Wien immer politisch?
Ich würde sagen, sie hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Initiative von Frauen für Frauen angefangen. Zumeist im karitativen Bereich. Frauen dürften in der Zeit ja nicht politisch tätig sein. Wir greifen konkret den Frauenerwerbsverein auf, der sich für Frauen in wirtschaftlichen Notlagen eingesetzte. Eine der Mitbegründerinnen war die bekannte Salonnière und Schriftstellerin Auguste von Littrow. Sie ist auf Danhausers Porträt zusammen mit ihrem Mann zu sehen. Früher wurde das Porträt so beschrieben: Der berühmte Astronom Ludwig von Littrow mit seiner Gattin. Wir haben hingegen im Text zuerst ihre berufliche Tätigkeit erwähnt und erst danach seine. So wie wir auch viele andere Frauen in interessanten Positionen vor den Vorhang geholt haben, indem wir sie anders als bisher präsentiert haben.
Welche interessanten Frauen aus der Wiener Geschichte hebt die Ausstellung noch hervor?
Das fängt bereits im Mittelalter an. Die Fürstenfiguren von St. Stephan beschreiben eben auch Frauen wie Katharina von Böhmen [siehe das Titelbild des Beitrags] oder Johanna von Pfirt in ihrer politischen Rolle. Es geht weiter mit bedeutenden Regentinnen wie Maria Theresia im Barock, der blinden Pianistin Maria Theresia Paradis, die sich stark für die Blindenpädagogik engagierte, im Zeitalter der Aufklärung. Biedermeier und Vormärz hatten wir schon, berühmte Künstlerinnen wie Charlotte Wolter oder Tina Blau in der Ringstraßenzeit, Frauenrechtlerinnen wie Adelheid Popp in Wien um 1900, wegweisende Künstlerinnen, Musikerinnen und Wissenschaftlerinnen aus dem Wiener Kreis oder die Architektin Schütte-Lihotzky im Roten Wien. Bis hin zu feministischen Künstlerinnen wie Valie Export oder Birgit Jürgenssen in den 1970er Jahren, und viele mehr.
Ist es schwierig, im Museum Frauengeschichte sichtbar zu machen?
Wir erzählen Wiens Geschichte über Objekte aus unserer Sammlung. Das sind oft Objekte von mächtigen Menschen und das sind in patriarchalischen Gesellschaften vorwiegend Männer. Nachdem wir Stadtgeschichte als Geschichte der Menschen, die hier lebten und leben, erzählen, müssen natürlich auch Frauen und LGBTQ-Personen vorkommen. Und ich freue mich, dass es tatsächlich gut gelungen ist, in der ganzen Dauerausstellung konsequent die Geschichte von Frauen über Frauen, aus der Perspektive von Frauen zu erzählen.
Wenn Frauengeschichte nicht über Objekte erzählt werden kann, wie behilft man sich dann?
Viel über Hörstationen. Wir hören Adelheid Popp, die erste Berufspolitikerin in Österreich, in den 1890er Jahren ihre Forderungen aufstellen; über Tagebücher und Lebenserinnerungen „erzählen“ uns Frauen aus Textilunternehmerfamilien über ihr Leben im Vormärz; im Pompejanischen Salon belauschen wir Frauen bei geselligen Anlässen am Rande des Wiener Kongresses. Oder über Statistiken, die man manchmal lange suchen muss, wie jene, dass Frauen im Zeitalter der Aufklärung Witwenbetriebe führten und damit eine Lücke im System fanden, um selbständig arbeiten zu können. Auch in den Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung am Anfang der Kapitel machen wir genderspezifische Aussagen zur Epoche. Zum Beispiel, dass im Mittelalter 25 Prozent aller Rechtsgeschäfte von Frauen abgeschlossen wurden. Was eigentlich überraschend ist.
Wenn es um Frauengeschichte geht, braucht es also immer einen Faktencheck. Zurück zur Frauenbewegung, wann wurde sie in Wien politisch, wie kam es zum Weltfrauentag?
Im späten 19. Jahrhundert wurden die Forderungen nach politischem Mitspracherecht massiv, immer gekoppelt mit den Forderungen nach besseren Lebensbedingungen für Frauen. Um 1911 durften sich Frauen politisch in Vereinen engagieren, 1919 erhielten sie das Wahlrecht. 1911 wurde auch erstmals der Internationale Frauentag ausgerufen, nachdem im Jahr zuvor die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen stattgefunden hatte. Allerdings am 19. März, im Gedenken an die Opfer der Märzrevolutionen von 1848, denn dort hatten sich die Frauen erstmals für das Wahlrecht eingesetzt. In Wien hatten sich die Proteste der Frauen zur so genannten Praterschlacht ausgeweitet, bei der sich männliche Arbeiter ihren weiblichen Kolleginnen anschlossen. Mit vielen Toten und Verletzten.
Und wann wurde der 8. März als Internationaler Frauentag eingeführt?
1921, was sich wiederum auf die Februarrevolution in Russland bezieht, die, vom julianischen Kalender in unsere Gregorianische Zeitrechnung übertragen, den 8. März ergibt. Andere führen den Weltfrauentag auf einen Streik von Textilarbeiterinnen in New York am 8. März 1857 zurück, das ist allerdings umstritten.
Was sind für Dich die größten Errungenschaften der Frauenbewegung?
Das Wahlrecht, die Fristenlösung, die grundsätzliche Gleichstellung. Aber es ist immer noch viel zu tun.
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