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Ursula Storch, 26.7.2023

Wiener Künstlerpostkarten des Verlags Brüder Kohn

„Reizende kleine Gallerien von Gemäldecopien“

Die Brüder Salomon und Adolf Kohn brachten kurz nach 1900 frischen Wind in den Wiener Ansichtskartenmarkt: Sie verlegten zahlreiche Serien gefälliger Aquarelle und Ölgemälde in Form von Postkarten. Kunstwerke konnten nun bequem im Kleinformat beim Selbstbedienungsladen erstanden werden.

Im Oktober 1898 erschien in der Österreichischen Illustrierten Zeitung ein Artikel zum Thema Künstlerpostkarte, der über das boomende Geschäft berichtete, das den neuen fotomechanischen Reproduktionsmöglichkeiten zu verdanken sei. Die Produktion von drucktechnisch verbesserten illustrierten Postkarten wurde nicht nur als vorteilhaft für die postalische Kommunikation, sondern auch für potenzielle Sammler angesehen, denen ermöglicht wurde, „sich reizende kleine Gallerien von Gemäldecopien in Miniaturformat anzulegen“. Als wichtigste Wiener Firmen, die im Bereich Künstlerpostkarte bereits tätig waren, wurden in dem Artikel Philipp & Kramer, Gerlach & Schenk, Carl Binder und andere genannt.

Für diese Verlage und weitere nachkommende entstand jedoch bald eine mächtige Konkurrenz: Im Jahr 1900 gründeten die Brüder Salomon und Adolf Kohn in der Wiener Innenstadt den Postkartenverlag Brüder Kohn, dessen Karten unter der Bezeichnung „B.K.W.I.“ beziehungsweise unter dem Motto „Bediene Dich selbst!“ aufgelegt wurden. Beliebte Ansichten aus der Stadt, die Berühmtheiten der Zeit sowie Karikaturen bekannter Grafiker waren die Hauptmotive des neuen Verlags. Die beiden Jungunternehmer setzten sich auf dem Ansichtskartenmarkt bald durch: Nach und nach wurden Filialen in der Teinfaltstraße, in der Kärntner Straße sowie Mariahilfer Straße aufgemacht und schließlich auch in der Friedrichstraße in Berlin eröffnet. Wie aus einem Werbeblatt des Verlags zwischen 1905 und 1910 hervorgeht, entsprach man dem angeblich vielfach geäußerten Wunsch des Publikums und legte eine Kollektion Wiener Künstlerpostkarten nach originalen Kunstwerken bekannter Wiener Maler auf, die malerische Darstellungen moderner und alter Architekturen wiedergaben. Die grafische Gestaltung dieses Werbeblatts mit dem mittig in einem Oval angebrachten Schriftzug „Wiener Künstler Postkarte“ (gelegentlich ersetzt durch „Wiener Kunst“), flankiert von einer Blätter- und Blütengirlande, die durch eine herabhängende Schleife zur Bezeichnung „B.K.W.I.“ führt, wurde in der Folge für die Rückseite der Künstlerpostkarten des Verlags adaptiert.

In mehreren Zeitungsinseraten der Jahre 1911 und 1912 wurden Erweiterungen dieser Reihe angekündigt, um „die wenigen noch erhaltenen traulichen Altwiener Plätze, für deren Erhaltung sich in letzter Zeit eine starke Bewegung geltend machte“ in stimmungsvollen Postkarten festzuhalten. Dieses Ansinnen war eine Folgeerscheinung der Hochkonjunktur der Wiener Vedutenmalerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals hatte ein breites Spektrum von Malern begonnen, das durch den Umbau der Stadt zu einer modernen Metropole sich massiv verändernde „alte“ Wien in detailreichen Darstellungen für die Nachwelt festzuhalten. Zur besseren Wirkung schreckte man auch nicht vor manipulierten Blickwinkeln oder veränderten Proportionen zurück, und die bewusst inszenierte Staffage wurde gezielt zur Belebung der Szenerie sowie als Stimmungsträger eingesetzt. Hauptzweck war die Prägung eines sentimentalen Wien-Bildes, das unter dem Schlagwort „Alt-Wien“ Eingang in alle Gesellschaftsschichten fand und – über das Medium Postkarte im beginnenden 20. Jahrhundert vielfach potenziert – weiterverbreitet wurde.

Dies führte etwa auch dazu, dass die Druckereibranche Wiener Künstlerpostkarten allgemein als wesentlichen Exportartikel ansah und der Verlag Brüder Kohn im Februar 1912 eine viel beachtete Ausstellung seiner Wien-Postkarten nach den Originalwerken bekannter Maler in den Räumen des Landesverbands für Fremdenverkehr zeigte.

Verschafft man sich einen Überblick über die vom Verlag Brüder Kohn herausgegebenen „Wiener Künstler Postkarten“, von denen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs rund 50 Serien mit jeweils zirka zwölf Motiven erschienen, so fällt auf, dass diese ein breites Spektrum an Wien-Ansichten abdeckten. Von Erwin Pendl etwa wurden vor allem Ansichten der Straßen und Gassen der Innenstadt als Postkartenmotive ausgewählt. Ab und an finden sich bei ihm auch Vorlagen, die statt dem topografischen den genrehaften Aspekt der Darstellung in den Mittelpunkt stellen, wie etwa bei der Ansicht der Freyung mit der Schottenkirche, deren Vordergrund von einem bunten Blumenmarkt dominiert wird.

Die klassischen Sehenswürdigkeiten der Wiener Innenstadt sowie der angrenzenden Vorstädte fanden sich auch auf den Karten nach Veduten von Ernst Graner, Hans Götzinger, Eduard Ferdinand Hofecker und Rudolf Preuss: Reproduktionen nach Ansichten diverser Kirchen, der Hofburg oder stimmungsvoller kleiner Gassen vermittelten ein gefälliges Wien-Bild, das sich immer wieder gut verkaufen ließ.

Ähnlich funktionierten die Postkarten nach Werken von Clara Stoitzner, von der einige farbintensive Darstellungen der prominentesten Kirchen, aber auch von weltlichen Gebäuden wie dem Wiener Rathaus reproduziert wurden. Unter den sehr wenigen Künstlerinnen, deren Werke im Verlag Brüder Kohn als Vorlagen genutzt wurden, war auch Marie Arnsburg mit einer Serie von Wohnhäusern berühmter Persönlichkeiten.

In einem Inserat des Verlags in der Arbeiterzeitung vom 5. September 1910 wurde eigens auf zwölf Wiener Künstlerkarten von Hans Ranzoni hingewiesen, die unter dem Titel „Die Gartenstadt Wien“ erschienen waren. Sattes Grün findet sich auch in den beliebten Prateransichten nach Johann Nepomuk Geller. Seine Darstellungen von Kaffeehausbesuchern im Schanigarten oder Firmungsgästen vor dem Stephansdom waren besonders für Glückwünsche oder andere fröhliche Mitteilungen geeignet.

Motive vom Naschmarkt waren so beliebt, dass der Verlag Brüder Kohn dafür Vorlagen verschiedener Maler reproduzierte, darunter etwa Gustav Veith und Hans Larwin. Von ihm wurde auch eine Nachtansicht des Kärntner Rings als Postkarte aufgelegt, auf der sowohl die elektrische Beleuchtung als auch die Straßenbahn als Symbole für das moderne Großstadtleben fungieren, Sujets, die im Bildinventar dieser Reihe eher eine Minderheit bildeten. Eine gestalterische Steigerung in der Darstellung des Wunders Elektrifizierung waren die Karten nach Vorlagen von Franz Witt, die farbig beleuchtete Brunnen und den Stephansturm, von fünf grellen Scheinwerfern angestrahlt, zeigen. Das Thema des modernen Verkehrs spiegelt sich auch in weiteren Wiener Künstlerkarten wider: Die ab 1898 in Betrieb genommene Wiener Stadtbahn findet sich sowohl auf Karten von Franz Witt als auch von Ferdinand Zach. Mit Robert Ludwig Richters Aquarell des Südbahnhofgebäudes ließ sich die Vorfreude auf eine Reise in den Süden ausdrücken, und Emanuel Baschnys Serie von Ansichten der Zahnradbahn auf den Kahlenberg machte Lust auf eine Landpartie.

Für viele Wiener Künstlerkarten wurde zweifellos auf bereits existierende Kunstwerke zurückgegriffen, wie das Beispiel einer Karte samt Vorlage von Max Suppantschitsch zeigt. Eine Genehmigung zur Reproduktion zu erwerben war allemal günstiger, als einen Künstler eigens mit einer bestimmten Ansicht zu beauftragen. Auf den meisten Karten sind dementsprechend der Name des Künstlers oder der Künstlerin sowie der Titel der Ansicht angegeben, wenn nicht auf der Vorder-, dann auf der Rückseite. In einzelnen Fällen setzte man dem Namen des Malers das antiquierte „pinx.“ hinzu, das pinxit, also gemalt bedeutet und darauf verweist, dass es einen künstlerischen Urheber des massenhaft reproduzierten Werkes gab.

Literatur:

mz: Die Künstler-Postkarte, in: Österreichische Illustrierte Zeitung Nr. 40 (1898), S. 12.

Felix Czeike: Wiener Kunstpostkarten, in: Wiener Geschichtsblätter H. 4 (1983), S. 163-165.

Wilhelm Deutschmann: Zur Geschichte des Verlags, in: Aus dem Postkartenverlag Brüder Kohn. Wiener Persönlichkeiten um 1900 (Katalog zur 186. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1994, S. 9f.

Elke Doppler: Die Jäger der verlorenen Schätze. Wiener Vedutenmalerei von 1870 bis 1910, in: Wolfgang Kos, Christian Rapp (Hg.): Alt-Wien. Die Stadt, die niemals war, Wien 2004, S. 123-133.
 

Ursula Storch, Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in Wien, seit 1992 Kuratorin und seit 2008 stellvertretende Direktorin im Wien Museum. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen zu kunst- und kulturhistorischen Themen aus der österreichischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 
 

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Kommentare

Zierl Berthild

Ein sehr interessanter Bericht, welcher Lust auf einen Museumsbesuch macht. Da die Ausstellung Großstadt im Kleinformat im Wien Museum MUSA ja noch bis 24. September 2023 zu sehen, steht dem (trotz bevorstehendem Urlaub) nichts im Wege.